An den richtigen Hebeln ansetzen – Schwachstellen erkennen, Ursachen beseitigen

Ein Praxisbeispiel aus der Presseninstandsetzung

Instandhaltung bedeutet weit mehr, als Defekte zu reparieren oder Störungen kurzfristig zu beheben. Wirklich nachhaltig wird sie dann, wenn die Ursachen für Probleme analysiert und dauerhaft behoben werden. Genau das zeigt ein Projekt, das zunächst fast zufällig entstand – und sich am Ende als voller Erfolg für alle Beteiligten erwies.


1. Ausgangslage – Jahresrevision einer kompletten Pressenlinie

Ein namhafter Kunde beauftragte uns mit der Jahresrevision einer Pressenlinie, bestehend aus:

  • einer 1200 t Exzenterpresse,

  • einem Schmiedehammer,

  • einer Automationsstrecke und

  • einer Schmiedeerwärmeranlage.

Geplant war ein 10-tägiger Stillstand der Anlage, um Verschleißteile zu erneuern und nach Herstellervorgaben eine umfassende Wartung durchzuführen.
Unsere Aufgaben umfassten dabei unter anderem:

  • Vermessung des Lagerspiels und Führungen,

  • Parallelität & Winkeligkeit prüfen,

  • Kontrolle von Überlastsystemen, Bremsweg und Nachlauf,

  • Inspektion und Wartung sämtlicher Schmier- und Hydraulikpunkte,

  • Absicherung und Funktionstest aller Schutz- und Sicherheitseinrichtungen.

Die Revision lief routiniert und strukturiert – doch ein Blick in die Dokumentationen sollte der Auftakt zu einem echten Verbesserungsprojekt sein.


2. Der Zufall als Auslöser für kontinuierliche Verbesserung

Beim Durchsehen des Anlagen- und Prüfbuchs fiel uns auf, dass es in den vergangenen Monaten gehäuft Störungen an den Schaltschränken und der Elektronik der Erwärmeranlage gegeben hatte. Rund 35% aller Stillstände standen damit in Zusammenhang.

Wir sprachen den Instandhaltungsleiter darauf an – und der schilderte uns die Hintergründe:

  • Kondenswasser hatte im Sommer durch Temperaturunterschiede Schäden an der Elektronik verursacht.

  • Als „Notlösung“ wurden Schaltschranktüren offen gelassen, was wiederum Staub und Verschmutzung begünstigte.

  • Leiterplatinen waren mehrfach durch Kurzschlüsse oder sogar Brüche ausgefallen.

  • Temperaturprobleme der Umrichter führten zusätzlich zu häufigen Produktionsunterbrechungen.

Sein Fazit: „Wir haben uns damit arrangiert, dass diese Ausfälle einfach dazugehören.“

Genau an diesem Punkt wurde aus einer Instandsetzungsrevision ein KVP-Projekt.


3. Von der Reparatur zur Ursachenbeseitigung

Gemeinsam mit zwei IH-Elektrikern und zwei IH-Mechanikern stellten wir ein interdisziplinäres Projektteam zusammen. In einer offenen und konstruktiven Atmosphäre entwickelten wir Lösungen, die nicht nur Symptome bekämpfen, sondern die Ursachen nachhaltig abstellen sollten.

Die Maßnahmen im Überblick:

a) Temperatur- und Feuchtigkeitskontrolle

  • Einführung eines Heiz-/Kühl-Temperiergeräts, um konstante und gleichmäßige Kühlwassertemperaturen zu gewährleisten.

  • Installation von Sichtfenstern und Messanzeigen zur direkten Kontrolle.

  • Vermeidung von Kondenswasserbildung an Kühlrohren.

b) Optimierte Schaltschrankbelüftung

  • Ersatz der bestehenden Belüftung durch staubdichte Klimaanlagen.

  • Abdichtung sämtlicher Türdichtungen und Kabeleinführungen.

  • Staub- und schmutzfreie Elektronik durch kontrolliertes Belüftungssystem.

c) Vibrationsschutz

  • Montage der Steuerungskarten und Leiterplatinen auf Schwingungsdämpfern.

  • Vibrationen, wie sie in der Umformtechnik unvermeidbar sind, wurden so effektiv entlastet.


4. Kosten, Nutzen und Akzeptanz

Natürlich stand schnell die Frage im Raum: „Lohnen sich die Investitionen?“
Die Maßnahmen erforderten einen hohen fünfstelligen Betrag. Doch allen Beteiligten war klar, dass die Investition sich auszahlen würde:

  • durch höhere Anlagenstabilität,

  • durch den Wegfall zahlreicher Kurzstillstände,

  • durch reduzierte Verlustkosten beim Ausfall von erwärmten Werkstücken.

Die Realität bestätigte diese Erwartungen:

  • Bereits nach 3 Monaten hatten sich die Investitionskosten amortisiert.

  • Produktionsverluste sanken drastisch.

  • Der Lastlaufgrad der gesamten Fertigungslinie verbesserte sich nachhaltig.


5. Ein zufälliges Projekt – mit nachhaltiger Wirkung

Der größte Erfolg lag jedoch nicht nur in der Technik, sondern in der Organisation:

  • Das Projekt brachte Instandhaltung, Fertigungsleitung und externe Partner an einen Tisch.

  • Die Zusammenarbeit verlief partnerschaftlich – jeder konnte Ideen einbringen.

  • Die Geschäftsführung erkannte den Wert solcher Initiativen und etablierte daraufhin ein Prämiensystem für Verbesserungsvorschläge.

Damit wurde ein echter KVP-Prozess wiederbelebt – entstanden aus einem Zufall, aber getragen von Bereitschaft, aus Problemen zu lernen.


6. Fazit – Ursachen erkennen, nicht nur Symptome kurieren

Dieses Projekt zeigt exemplarisch:

  • Reine Störungsinstandsetzung ist kurzfristig, aber nicht nachhaltig.

  • Ursachenanalyse deckt Schwachstellen auf, die langfristig Kosten sparen und Anlagenperformance steigern.

  • KVP lebt von allen Beteiligten – vom Monteur bis zur Geschäftsführung.

  • Investitionen in Stabilität und Prävention rechnen sich – oft schneller, als man denkt.

Am Ende ist die wichtigste Botschaft:
👉 Zufälle sind oft der Auslöser – aber echte Verbesserungen entstehen, wenn man sie erkennt und aktiv nutzt.


Kurz gesagt:
Ein Projekt, das eigentlich „nur“ eine Routinewartung sein sollte, hat durch offenes Hinsehen, Teamarbeit und Ursachenforschung den Unterschied gemacht. Die Produktionsanlage läuft heute stabiler, effizienter und verlässlicher – der Proof, dass es sich immer lohnt, an den richtigen Hebeln anzusetzen.


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